2025-07-09
Wenn die Seele fließt – Elfi Marijanovic malt mit Kaffee, Gips und Gefühl
Wo Kaffee auf Gips trifft – und Kunst zu atmen beginnt
Von der Kraft der Bewegung, der Sprache der Materialien und dem Mut zur eigenen Linie
Ein Porträt über die Künstlerin Elfi Marijanovic
Was passiert, wenn man flüssigen Kaffee auf angerissenen Gips gießt? Für Elfi Marijanovic beginnt in diesem Moment mehr als nur ein künstlerischer Prozess – es ist der Beginn eines Dialogs zwischen Materialien, Emotionen und Erinnerungen. Ein Dialog, der nicht laut sein muss, um tief zu wirken. Ihre Kunst lebt von der Spannung zwischen Zufall und Absicht, von der Schönheit des Unvollkommenen, vom Mut, sich selbst zu zeigen – roh, ehrlich, lebendig.
Seit über 30 Jahren geht Elfi diesen Weg. Und es ist ein Weg der Bewegung – innerlich wie äußerlich. Stillstand war für sie nie eine Option. Ihr Werk „Blue Line“ ist dafür Sinnbild und Manifest zugleich: Wie das Meer, das sie liebt, fließt darin eine unerschütterliche Kraft, eine Sehnsucht nach Tiefe und Freiheit.
Elfi Marijanovic malt nicht, um zu gefallen. Sie malt, um zu fühlen. Ihre Bilder fordern nicht – sie laden ein: zur Stille, zur Begegnung, zur Reflexion. Mit Materialien wie Gips, Kaffee, Rissen und Strukturen erschafft sie etwas, das nicht dekoriert, sondern berührt. Jedes Werk ist wie ein leiser Herzschlag an der Wand – spürbar, wenn man stehenbleibt.
Was mich berührt hat?
Die Entschlossenheit hinter der Sanftheit. Die tiefe Ruhe hinter den Linien. Und der Gedanke, dass wahre Stärke oft in der Stille beginnt – dort, wo Kaffee auf Gips trifft und Kunst zu atmen beginnt.
Elfie, was fühlst du, wenn du Kaffee und Gips auf Leinwand bringst – ist es Zufall, Rebellion oder deine ganz persönliche Sprache?
Es ist für mich wie ein inneres Ritual – fast wie ein Gespräch mit mir selbst. Wenn der Kaffee auf den Gips trifft, beginnt etwas zu leben, das vorher still war. Ich finde es unglaublich spannend, wie der Gips den Kaffee aufnimmt – mal saugt er ihn auf, mal stößt er ihn ab, mal entstehen kleine Risse, die wie Lebenslinien wirken. Für Außenstehende mag das zufällig aussehen – doch ich weiß genau, was ich tue. Es ist kein Chaos, es ist kontrolliertes Loslassen.
So wie man morgens eine Tasse Kaffee trinkt – eine Geste der Einkehr oder der Begegnung – so empfinde ich auch das Zusammenspiel dieser Materialien. Ich begegne dem Moment. Ich beobachte, wie sich alles entwickelt. Und genau wie im Leben: Nichts bleibt, wie es war. Und das ist gut so.
In deinem Werk „Blue Line“ fließt Bewegung – wo in deinem Leben war Stillstand keine Option?
„Blue Line“ ist mein Blick aufs Meer. Auf das große, tiefe, blaue Unbekannte, das mich gleichzeitig beruhigt und antreibt. Ich liebe das Meer – weil es nie stillsteht, weil es atmet, rauscht, zieht und zurückgibt.
In meinem eigenen Leben gab es viele Situationen, in denen ich hätte stehen bleiben können. Aber etwas in mir hat sich immer bewegt. Ich habe früh gelernt, dass Bewegung nicht nur körperlich ist – sie beginnt im Geist, im Herzen. Ich habe nie einfach „abgewartet“. Ich habe immer gespürt: Wenn ich etwas ändern will, dann muss ich mich bewegen. Auch wenn der Weg steinig ist. Auch wenn das Ziel noch nicht klar zu sehen ist. Stillstand war für mich nie eine Option – weil ich zu viel vom Leben will.
Was möchtest du, dass Menschen spüren, wenn sie vor einem deiner Bilder stehen – Kraft, Unruhe oder Frieden?
Ich wünsche mir, dass meine Bilder ein Raum sind – ein Raum, in dem sich etwas öffnet. Vielleicht eine Erinnerung. Vielleicht ein Gefühl. Vielleicht ein Moment, den man längst vergessen hat.
Es geht nicht darum, nur Schönheit zu sehen – es geht um die Schwingung darunter. Manchmal ist das Kraft, manchmal auch eine zarte Unruhe, die etwas in Bewegung bringt. Aber oft wünsche ich mir auch, dass die Menschen Frieden finden – einen kleinen, stillen Frieden in sich selbst.
Wenn jemand vor einem meiner Werke steht und für einen Moment innehält, vielleicht sogar still wird oder sich selbst darin erkennt – dann habe ich mit meiner Kunst etwas erreicht, das über die Leinwand hinausgeht.
Gab es einen Moment, in dem du wusstest: Jetzt wird aus dem Spiel mit Materialien echte Kunst?
Ja, dieser Moment kam ganz leise – und ist trotzdem unvergesslich. Es war vor etwa 30 Jahren. Ich hatte gerade begonnen, mich intensiv mit Malerei zu beschäftigen. Anfangs war es Neugier, ein Spiel, ein freier Raum. Doch je mehr ich mich mit den Materialien auseinandersetzte – in Kursen, aber auch ganz intuitiv zuhause – desto mehr spürte ich: Hier geschieht etwas. Hier spricht etwas aus mir, das ich mit Worten nie ausdrücken könnte.
Ich weiß noch, wie ich eines Tages vor einem fertigen Bild stand – und Tränen in den Augen hatte. Nicht aus Traurigkeit, sondern weil ich zum ersten Mal das Gefühl hatte: Das bin ich. Das ist meine Sprache. Von da an war es keine Freizeitbeschäftigung mehr. Es war mein Weg.
Wenn du deine Energie in einem Satz zusammenfassen müsstest – was würde er lauten?
Meine Energie ist wie ein stiller Strom – kraftvoll, poetisch, entschlossen. Sie fließt durch alles, was ich tue, was ich male, was ich weitergeben möchte.
Ich glaube daran, dass man im Leben nicht laut sein muss, um stark zu sein. Manchmal ist es gerade die leise, klare Energie, die wirklich etwas bewegt. In mir pulsiert diese Energie wie ein Versprechen: Bleib offen. Bleib ehrlich. Und verliere nie die Freude an der Bewegung.
Admin - 11:54:18 @ Allgemein, ARTIST, EXHIBITION | Kommentar hinzufügen