2025-07-19
Mary Gazea – Zwischen Mikroskop und Malspachtel
Wenn man Mary Gazea begegnet, spürt man sofort diese besondere Mischung aus Klarheit und Gefühl. Ihr Blick ist forschend, ihr Lächeln offen – als würde sie gleichzeitig das große Ganze erfassen und die feinen Zwischentöne wahrnehmen. Vielleicht ist genau das ihr Geheimnis: Sie kennt die Welt der Zahlen und Labore, der exakten Messungen und wissenschaftlichen Theorien. Doch ihr Herz schlägt längst auch für eine ganz andere Welt – eine, die in Farben schwingt, in Formen spricht und in Emotionen atmet.
Geboren in Köln, verwurzelt in Griechenland, lebt Mary seit 2020 mit ihrem Lebensgefährten und ihrem Hund in München. In ihren Werken schwingen diese beiden Welten mit – das klare, analytische Denken der Neurowissenschaftlerin und die tiefe, oft melancholische Sehnsucht nach der Ägäis, nach Wärme, Licht und Leichtigkeit.
„Ich habe das Meer in mir“, sagt sie mit einem leisen Lächeln – und wer ihre Bilder sieht, glaubt es sofort.
Was ihre Kunst so besonders macht, ist genau dieser innere Spagat zwischen Struktur und Freiheit. Mary forscht noch immer – doch in der Kunst hat sie einen Raum gefunden, in dem sie ganz bei sich sein kann. In dem keine Zahlen, keine Daten, keine Protokolle zählen, sondern nur der Moment, das Gefühl, die Farbe.
Und doch ist da immer diese Handschrift, diese stille Präzision, die ihren Werken Tiefe verleiht. Nichts ist zufällig – auch nicht in der abstrakten Freiheit. „Ich arbeite mit Leichtigkeit, aber nie leichtfertig“, sagt sie. Qualität, Ruhe und Intuition – das sind die Werte, die sie in jedem Werk lebt.
Besonders berührend: Marys Bilder tragen das Licht Griechenlands in sich. Dieses besondere Blau, das nur dort existiert. Das Weiß, das fast singt im Sonnenlicht. Die goldenen Reflexe, die an staubige, warme Sommerabende erinnern. In ihren Arbeiten wird Heimat zu Gefühl, Sehnsucht zu Farbe – und Wissenschaft zu Kunst.
Vielleicht ist das das größte Geschenk, das sie mit ihrer Kunst macht: Dass sie uns zeigt, wie schön es sein kann, Gegensätze zu vereinen. Kopf und Herz. Struktur und Freiheit. Deutschland und Griechenland.
Und vielleicht braucht die Welt genau das – ein bisschen mehr Farbe, ein bisschen mehr Menschlichkeit. Und eine Künstlerin wie Mary Gazea, die beides auf ihre ganz eigene, stille Weise verbindet.
Was hat dich als promovierte Neurowissenschaftlerin dazu gebracht, deine Sehnsucht in Kunst zu verwandeln?
In der Neurowissenschaft war es entscheidend, präzise zu arbeiten und bestehende Strukturen genau einzuhalten. Schon kleinste Ungenauigkeiten konnten ein ganzes Experiment unbrauchbar machen. Die Kunst dagegen eröffnet mir einen völlig anderen Raum – einen, in dem ich kreativ und frei sein kann, ohne festen Rahmen und ohne strikte Regeln.
Ich kann spontan entscheiden, ob ich eine Farbexplosion auf die Leinwand bringe oder ein ruhiges, reduziertes Bild male. Es braucht keinen Plan, kein Konzept – nur ein Gefühl oder einen Impuls.
Gerade weil mein Berufsalltag so stark von Struktur und Präzision geprägt ist, ist die Kunst für mich ein wichtiges Ventil. Sie gibt mir die Freiheit, Emotionen und Sehnsüchte sichtbar zu machen – ohne Vorgaben, ohne Erwartungsdruck. In der Malerei finde ich einen Ausgleich, einen persönlichen Raum, in dem ich zur Ruhe komme und ganz bei mir sein kann.
Schon während meiner Doktorarbeit habe ich begonnen zu malen – damals noch vor allem Landschaften in Öl. Erst später habe ich begonnen, die Regeln der Realität bewusst loszulassen und mich der abstrakten Kunst zu öffnen. Diese Freiheit im Ausdruck hat mich nie wieder losgelassen – und begleitet mich bis heute.
Was bedeutet Freiheit für dich, wenn du malst?
Freiheit beim Malen bedeutet für mich, loszulassen – vom Perfektionismus, von Erwartungen und von Genauigkeit und klaren, abgemessenen Linien. Ich bestimme selbst, welche Farben ich verwende, welche Stimmung ein Bild haben darf und was es ausdrücken soll.
Freiheit ist auch, in Ruhe arbeiten zu können – ohne Termindruck, mit Musik, die mich begleitet, und mit dem Fokus ganz auf dem kreativen Prozess. In solchen Momenten komme ich oft in einen Flow-Zustand, in dem Zeit keine Rolle spielt und das Malen fast automatisch weiterläuft.
Und am Ende, wenn das Bild fertig ist, passiert oft etwas sehr Einfaches, aber Wichtiges: Ich sehe es an – und spüre Zufriedenheit. Mein Belohnungssystem im Gehirn springt an, weil ich etwas geschaffen habe, das für mich Sinn ergibt. Es ist ein stilles, aber klares Gefühl: Das war genau richtig so.
Welche Farben oder Elemente verkörpern deine Sehnsucht nach Griechenland am stärksten?
Definitiv das tiefe Blau des Meeres und das leuchtende Weiß der Häuser im Sonnenlicht – aber auch lebendiges Türkis und goldene Akzente, die das warme Licht einfangen.
Wiederkehrende Motive in meiner Griechenland-Serie sind Motorboote, die lautlos über die Ägäis gleiten und einen weißen Schweif im endlosen Blau hinterlassen. Diese Bilder tragen Erinnerungen in sich: an Sommernächte, salzige Haut, das rhythmische Klatschen der Wellen und das ganz besondere Licht der Ägäis.
Für mich ist Heimat kein fester Ort – sie ist ein Gefühl. Und genau dieses Lebensgefühl versuche ich mit meinen Farben und Formen einzufangen.
Wie beeinflusst deine wissenschaftliche Arbeit heute deine Kunst?
Meine wissenschaftliche Ausbildung hat meinen Blick für Details geschärft – ich beobachte genau, erkenne Muster und denke oft in Strukturen. Das fließt ganz natürlich in meine künstlerische Arbeit ein. Gleichzeitig begleitet mich mein Verständnis für das Gehirn, für Emotionen und Wahrnehmung in jedem kreativen Prozess.
Ich experimentiere viel – mit Materialien, mit Farbkombinationen – fast wie in einem Labor. Tatsächlich verwende ich beim Malen auch Werkzeuge, die ich aus dem Labor kenne: Spritzen, chirurgische Pinzetten, Handschuhe oder sogar Parafilm finden ihren Weg in meinen kreativen Alltag.
Manche meiner Werke erinnern in ihrer Ästhetik an mikroskopische Bilder – wie biologische Landschaften, die im Verborgenen existieren. Oft wurde ich gefragt, ob mein Bild „Summer Nights“ nicht vielleicht Neuronen darstellt – und obwohl das nicht bewusst so geplant war, zeigt es, wie stark meine zwei Welten miteinander verwoben sind.
Auch bei meiner Pouring-Technik hilft mir mein wissenschaftlicher Hintergrund enorm. Ich habe lange mit unterschiedlichen Rezepturen experimentiert, bis ich die perfekte Mischung gefunden habe. Heute gehe ich beim Anmischen und beim Schichten der Farben präzise und strukturiert vor – damit genau dort Zellen und Netzwerke entstehen, wo ich sie haben möchte. Es ist ein kontrolliertes Chaos – intuitiv geführt, aber wissenschaftlich getragen.
Was wünschst du dir, dass jemand fühlt, wenn er „Abstract Butterfly“ bei sich zu Hause aufhängt?
Ich wünsche mir, dass dieser Schmetterling Leichtigkeit und Optimismus in sein zukünftiges Zuhause bringt. Dass er an Veränderung erinnert – nicht als etwas Bedrohliches, sondern als etwas Befreiendes. Dass er Mut macht, den eigenen Weg zu gehen.
Und dass er ein Lächeln auslöst – dieses stille, innere „Ja“, wenn man spürt: Ich werde wachsen, ich werde fliegen.
Er soll daran erinnern, dass wir alle Potenzial in uns tragen, das nur darauf wartet, sich zu entfalten.
Admin - 13:22:54 @ Allgemein, ARTIST, EXHIBITION | Kommentar hinzufügen