2025-07-19
Heilung aus Papier – die zarten Wahrheiten von Britta Schroll
Britta Schroll ist mehr als eine Künstlerin – sie ist eine Geschichtenerzählerin, eine Seelenforscherin, die mit Schere, Papier und Farbe die verborgenen Facetten unserer Herzen sichtbar macht. Geboren und zu Hause in Köln, nimmt sie uns mit auf eine Reise durch ihre Erinnerungen, ihre Verluste und ihre Hoffnungen. Ihre Werke sind wie kleine Fenster in eine Welt, die viele von uns nur schwer begreifen oder aussprechen können.
Was mich an Britta so tief berührt, ist ihr Mut, die Verletzlichkeit zu zeigen, die wir alle in uns tragen. Sie hat gelernt, die leisen Stimmen in sich wahrzunehmen – die Erinnerungen, die Schmerzen, die unausgesprochenen Gefühle – und ihnen eine Form zu geben. Ihre Collagen sind keine perfekte Inszenierung, sondern lebendige Spuren von echtem Leben, das manchmal zerbrochen, oft widersprüchlich, aber immer voller Bedeutung ist.
Wenn Britta erzählt, wie sie mit ihren Bildern innere Familienwelten sichtbar macht, spürt man die Tiefe ihrer Erfahrung und ihr großes Herz. Es ist ein Prozess, der zugleich schmerzhaft und heilend ist, ein Versuch, Dinge zu verstehen, die sich nicht so einfach in Worte fassen lassen. Dabei lässt sie Raum für Zweifel, Brüche und das Unvollständige – und gerade darin liegt ihre Kraft.
Für Britta ist Kunst kein bloßes Handwerk, sondern ein Mittel zur Selbstheilung. Wenn sie das Papier zerschneidet, Schichten neu zusammensetzt und den Bildern ihre eigene Geschichte einhaucht, entsteht für sie ein Raum, in dem alte Wunden ein kleines Stück heilen können. Und als Betrachter:in spürt man diese stille, tiefgründige Energie, die uns daran erinnert, dass wir mit unseren Gefühlen nicht allein sind.
Das Faszinierende an Britta ist ihre Wärme und ihr offenes Wesen, das auch in ihren Bildern mitschwingt. Man fühlt sich eingeladen, mit ihr zusammen diese oft komplizierten, manchmal schmerzhaften Familiengeschichten zu erkunden, ohne Angst vor Urteilen oder Vereinfachungen. Sie schenkt uns einen Moment der Klarheit und des Verständnisses – und das ist in unserer hektischen Welt ein Geschenk.
Ich bewundere Britta Schroll für ihre Ehrlichkeit und ihre Sanftheit zugleich. Sie zeigt uns, wie wichtig es ist, hinzuschauen, auch wenn es schwer fällt, und wie befreiend es sein kann, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Ihre Kunst berührt das Herz und öffnet die Seele – und genau das macht sie so besonders.
Wie fühlt es sich für dich an, mit Collagen innere Familienwelten sichtbar zu machen, die oft verborgen bleiben?
Innere (Familien-)Welten mit Hilfe von Collage sichtbar zu machen fühlt sich gleichzeitig sehr mächtig, aber auch zerbrechlich und verletzlich an. Mächtig, weil es sichtbar macht, was vorher unsichtbar war, und damit verstehbar wird. Zerbrechlich und verletzlich, weil es ungefilterte innere Wahrheiten sind, die man nach außen trägt. Es ist für mich wie eine meditative Kontaktaufnahme zu Erinnerungen, Stimmungen und alten Stimmen, die irgendwo zwischen Realität und Fantasie schweben. Die Collage gibt mir die Freiheit, fragmentierte Innenwelten zu zeigen – ohne sie erklären zu müssen. Gerade Familienverhältnisse tragen oft so viele unausgesprochene, verdrängte oder verschobene Ebenen in sich. Mit dem Medium Collage kann ich diese Vielschichtigkeit in Bildern sichtbar machen, die wie Traumszenen wirken – offen für Deutung, aber immer emotional aufgeladen. Es ist manchmal ein schmerzhafter, aber sehr lebendiger Prozess.
Gibt es persönliche Erlebnisse, die dich zu den Themen von Kälte, Verlust und Heilung in deiner Arbeit inspiriert haben?
Ja, definitiv. Ich habe eigene Erfahrungen damit, wie Verlust eine Familie prägen und verändern kann – oft auf leise, kaum greifbare Weise. Solche Erfahrungen hinterlassen Spuren, nicht nur im Einzelnen, sondern in ganzen Beziehungsgefügen. Kälte ist da manchmal ein Schutzmantel, eine Form von Überleben. Mein persönlicher Weg zur Heilung, durch Depression und das Aufarbeiten von Familientrauma, war immer begleitet und unterstützt durch die Kunst. In meiner Collagearbeit finde ich eine Möglichkeit, das manchmal Unsagbare zu berühren – Dinge sichtbar zu machen, die sonst im Verborgenen blieben. Das Arbeiten mit Fragmenten, mit Fundstücken, mit dem Neu-Zusammensetzen von Formen und Bedeutungen, ist für mich auch ein Prozess der Heilung. Es entsteht ein Raum, in dem das Unterbewusste Gestalt annehmen darf – nicht als eindeutige Geschichte, sondern als Bild, das offen bleibt, ohne vollständig aufgelöst werden zu müssen.
Was möchtest du, dass Menschen fühlen oder denken, wenn sie dein Werk „Mutter mit drei, nein vier Töchtern“ betrachten?
Ich wünsche mir, dass beim Betrachten etwas zum Schwingen kommt – ein Gefühl von Irritation, aber auch Vertrautheit. Der durchgestrichene Titel „drei, nein vier“ ist mehr als ein formales Detail – er zeigt einen inneren Korrekturprozess, einen Erinnerungsversuch, der ins Stocken gerät. Was ist die Geschichte? Wer fehlt? Wer wird übersehen? Oder waren es immer schon vier? In dieser kleinen Verschiebung liegt für mich ein Schlüssel: Es geht nicht um Eindeutigkeit, sondern um das Zulassen von Brüchen, von Zweifeln, von Ungesagtem. Und genau darin liegt auch ein Moment von Heilung. Indem ich solche familiären Zwischenräume sichtbar mache – die Lücken, das Unvollständige, das Unbehagen, die Plätze, die zugeteilt werden und manchmal frei bleiben – entsteht etwas Neues: ein Bildraum, in dem das Verdrängte einen Platz bekommt.
Ich hoffe, dass andere darin vielleicht auch etwas Eigenes entdecken – ein Gefühl, eine Erinnerung, eine Frage, die sie sich selbst sonst nicht gestellt hätten. Für mich steckt darin etwas sehr Menschliches: Dass Familiengeschichten nie ganz eindeutig sind, dass es Auslassungen, Verdrängtes, Verschobenes gibt und dass die erzählte Familiengeschichte oft nicht reicht, wenn es um emotionale Wahrheit geht. Ich hoffe, dass das Bild Raum öffnet für eigene Fragen: Wo gehöre ich hin? Was bleibt unausgesprochen? Wer ist sichtbar – und wer nicht?
Wie hilft dir die Kombination von klassischen Maltechniken und analoger Collage, deine innersten Gedanken auszudrücken?
Für mich ist das Zusammenspiel von klassischer Malerei und analoger Collage wie ein Dialog zwischen Kontrolle und Intuition. Die malerischen Elemente geben mir eine gewisse Ruhe, einen Rhythmus, eine Basis. Hier habe ich die Möglichkeit, Raum und Bühne meiner Bilder zu gestalten. Die Collage dagegen bringt das Unberechenbare, das Fragmenthafte ins Spiel – wie Erinnerungen, die sich nicht vollständig fassen lassen. Durch das Zerschneiden, Verschieben und Überlagern von Bildern komme ich meinen inneren Gedanken oft näher als durch Sprache. Dinge, die schwer auszudrücken sind – Gefühle von Verlust, Spannung, Nähe oder Entfremdung – können in dieser Arbeitsweise eine Form finden. Die Kombination dieser beiden Techniken erlaubt mir, sowohl Struktur als auch Störung zuzulassen. Und genau in dieser Reibung entsteht oft der Ausdruck, den ich suche: Gestörte Ordnung.
Gibt es für dich einen Moment beim Arbeiten, in dem du spürst, dass Heilung durch deine Kunst möglich wird?
Ja, und dieser Moment beginnt oft schon mit dem ersten Schnitt ins Papier. Das Arbeiten mit Collage ist für mich wie Meditation. Zu Beginn weiß ich nie genau, wie das Bild am Ende aussehen oder was es erzählen wird. Ich lasse mich leiten von Intuition, vom Material, von Stimmungen. Der Prozess selbst ist heilsam – weil ich mich einlasse auf das Ungewisse und Unerwartete. Es entsteht etwas, das nicht geplant ist, sondern wächst, sich verschiebt, Schichten bildet. Dieses langsame Entstehen, das Verweilen im Bild, das Suchen nach der Geschichte, die erzählt werden will – das ist ein leiser, aber kraftvoller Weg, auf dem Heilung für mich möglich wird.
Auch das Eintauchen in das fertige Bild hat eine eigene Qualität. Es ist, als würde ich einen Raum betreten, der etwas in mir spiegelt – aber nicht in Worten, sondern in Bildern, Emotionen, Zwischenräumen. Und schließlich ist auch das Teilen mit anderen ein wichtiger Teil dieses Heilungsprozesses. Wenn ich sehe, wie Menschen auf meine Bilder reagieren, was sie darin sehen, was in ihnen in Resonanz geht, spüre ich: Uns verbindet im Innersten so viel – auch wenn jede*r eine ganz eigene Realität erlebt.
In der Begegnung mit der Kunst entsteht dann oft ein stilles Verstehen. Ein Gefühl, gesehen zu sein – und vielleicht ein erster, kleiner Schritt in Richtung Heilung.
Admin - 12:58:17 @ Allgemein, ARTIST, EXHIBITION | Kommentar hinzufügen
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