2025-07-09

Wo Worte enden, beginnt das Leuchten – Die Kunst von Alisha Maroke


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Es gibt Menschen, die sprechen laut – und es gibt jene, bei denen man aufhorchen muss, weil sie leise leuchten. Alisha Maroke gehört zur zweiten Art. Ihre Präsenz ist nicht schrill, sondern tief. Nicht laut, sondern klar. Sie betritt einen Raum nicht mit Worten – sondern mit Energie.

Sie ist ein stilles Wesen mit glühendem Kern. Eine Künstlerin, die nicht malt, um etwas darzustellen – sondern um etwas zu erinnern. An das, was wir in uns tragen und längst vergessen haben: Gefühl. Zartheit. Kraft in der Verletzlichkeit.

In einer Welt, die von außen definiert wird, geht sie nach innen. Ihre Kunst entsteht nicht aus Konzept, sondern aus Verbindung. Jeder Pinselstrich ist ein Gespräch mit etwas Größerem – mit dem Körper, der Erinnerung, dem Unausgesprochenen.

Was Alisha besonders macht, ist nicht nur ihr Blick auf die Welt – sondern die Art, wie sie sich ihr hingibt. Ihre Arbeiten sind intuitiv, sinnlich, leuchtend – nicht nur im Ästhetischen, sondern im Innersten. Unter UV-Licht zeigen sie eine zweite Ebene: ein unsichtbares Leuchten, das sinnbildlich steht für all das, was wir oft nur im Dunkeln zu erkennen wagen.

Sie ist nicht „die Künstlerin mit dem Neonlicht“. Sie ist eine Seelensammlerin. Eine, die das Flackern kennt – und daraus Farbe macht. Eine, die sich selbst oft in Schichten wiedergefunden hat – und anderen zeigt, dass Tiefe kein Fehler ist, sondern Geschenk.

Wer Alisha begegnet, begegnet auch sich selbst. In Stille. In Licht. In ehrlichem Dazwischen.
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Wann wusstest du, dass du dein altes Leben loslassen musst – und wie hat sich dieser Moment angefühlt?

Es war kein klarer Schnitt, kein dramatischer Moment wie im Film. Eher ein langsames Verklingen – ein permanentes inneres Rufen, das ich lange nicht hören wollte. Ich funktionierte. Ich erfüllte Rollen, trug Masken, machte weiter, weil man eben weitermacht. Aber mein Körper, viel weiser als mein Verstand, begann zuerst zu sprechen. Erst als Flüstern: Müdigkeit, Unruhe, das Gefühl von Leere. Dann als Schrei: chronische Erschöpfung, Weinkrämpfe im Auto, das Gefühl, innerlich ausgebrannt zu sein – wie eine ausgeblasene Kerze.

Und doch war da auch dieser leise Widerstand in mir. Ein Wissen. Dass es anders gehen muss. Dass ich nicht nur hier bin, um zu funktionieren. Als ich irgendwann nicht mehr konnte, kam die Angst – die nackte Panik vor dem Unbekannten. Aber zugleich auch eine unglaubliche Erleichterung. Ich hatte aufgehört zu kämpfen gegen das, was ich wirklich bin.

Der Wendepunkt kam nicht laut, sondern fast unscheinbar. Ich griff nach Jahren wieder zu Pinsel und Farbe – und malte. Nur ein Bild. Aber es war, als würde mein Innerstes plötzlich wieder atmen. Ich war nicht mehr verloren. Ich war angekommen – bei mir selbst.

Deine Bilder strahlen – sogar im Dunkeln. Was hat in dir geleuchtet, als alles andere unsicher war?

Es war nie das große Licht. Kein Scheinwerfer, keine Sicherheit, kein fertiger Plan. Es war eher ein inneres Glimmen – wie ein schwaches Feuer unter der Asche. Ein Flackern von Sehnsucht. Sehnsucht nach Verbindung. Nach Echtheit. Nach einem Raum, in dem ich mich nicht anpassen oder beweisen muss.

Ich glaube, selbst in meinen dunkelsten Stunden war da immer etwas, das nicht bereit war aufzugeben. Vielleicht war es das kleine, unbeirrbare Stück in mir, das immer an Kunst geglaubt hat – nicht als Karriere, sondern als Überlebensstrategie. Als Sprache. Als Rückweg.

Wenn alles andere fiel – Beziehungen, Jobs, Sicherheiten – blieb meine Kunst. Sie war mein Lichtschimmer. Und je tiefer ich gefallen bin, desto heller hat sie geleuchtet. Nicht für andere – sondern für mich.
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„Neon Oasis“ klingt wie ein Zufluchtsort – wonach hast du dich gesehnt, als du diese Serie geschaffen hast?

Ich habe mich nach einem Ort gesehnt, an dem ich weich sein darf. Ohne mich erklären zu müssen. Ohne verteidigen zu müssen, warum ich so fühle, wie ich fühle.
„Neon Oasis“ ist meine Antwort auf die Kälte der Welt. Auf Reizüberflutung, Lärm, ständige Erwartungen. Ich wollte einen Gegenraum schaffen – eine Insel. Nicht laut, nicht grell. Sondern warm. Durchlässig.

Die Farben in dieser Serie leuchten, ja – aber sie schreien nicht. Sie flüstern. Sie atmen. Sie berühren. „Neon Oasis“ ist für mich wie ein innerer Rückzugsort, an dem Sinnlichkeit, Intimität und Verletzlichkeit nicht als Schwäche gelten – sondern als das, was uns eigentlich stark macht.
Diese Bilder sind wie Atempausen – für mich und für alle, die sich darin wiederfinden.
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Was war das Mutigste, das du tun musstest, um heute sagen zu können: „Ich bin Künstlerin“?

Das Mutigste war nicht, eine Technik zu lernen. Es war nicht, mich auszustellen oder sichtbar zu machen. Das Mutigste war, mir selbst zu erlauben, diesen Weg wirklich zu gehen – und ernst zu nehmen.

Denn dieser Weg ist nicht geradlinig. Und er ist auch nicht immer glamourös. Er ist roh, ehrlich, konfrontierend. Es war ein täglicher innerer Kampf gegen diese Stimmen in mir und außerhalb von mir:
„Das bringt doch nichts.“
„Damit kann man doch nicht leben.“
„Du bist doch keine richtige Künstlerin.“

Und irgendwann habe ich verstanden: Doch. Ich bin es. Nicht, weil ich Preise gewonnen habe oder auf Messen ausstelle – sondern weil ich mich jeden Tag neu entscheide, ehrlich zu sein. Hinzuschauen. Etwas aus mir herauszulassen, das wahr ist. Auch wenn es weh tut. Auch wenn es niemand kauft. Auch wenn es mich selbst verunsichert.

Künstlerin zu sein bedeutet für mich, den Mut zu haben, nichts zu verstecken. Und das ist manchmal das Schwierigste überhaupt.
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Wenn du einem einzigen Menschen mit deinen Bildern Hoffnung geben könntest – wem würdest du sie schenken, und warum?

Ich würde sie dem jungen Mädchen schenken, das ich einmal war. Dem Teenager, der sich fremd fühlte im eigenen Körper. Der nicht wusste, wo er hingehört. Der sich zu laut oder zu still fühlte, zu verletzlich, zu anders.
Der oft dachte: Mit mir stimmt etwas nicht.

Ich würde ihr ein Bild hinstellen. Kein fertiges, kein glattes – sondern eins, das atmet. Eins, in dem sie sich wiederfinden kann. Ich würde ihr sagen:
„Du bist nicht kaputt.
Du bist nicht zu viel.
Und du bist auch nicht allein.“

Ich würde ihr zeigen, dass sie eines Tages etwas finden wird, das sie hält – eine Sprache jenseits der Worte. Und dass genau dieser Schmerz von damals das Rohmaterial für ihre Kunst sein wird.
Dass sie nicht aufgeben muss.
Weil sie irgendwann leuchten wird.
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Admin - 12:41:53 @ Allgemein, ARTIST, EXHIBITION | Kommentar hinzufügen

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