2025-05-15

Jessie Feuersenger- Zwischen Abschied und Neuanfang – Wie Verluste meine Kunst geprägt haben

Zwischen Farben und Abschied – Die Kunst der Jessie Feuersenger

Es gibt Begegnungen, die bleiben. Gespräche, die nachklingen wie ein Echo und einen tiefen Eindruck hinterlassen. Das Gespräch mit Jessie Feuersenger war genau so eine Begegnung – intensiv, berührend, eindringlich. Jessie ist keine Künstlerin, die sich hinter ihren Bildern versteckt. Im Gegenteil: Sie öffnet ihr Innerstes, lässt uns teilhaben an ihrer Geschichte, an ihren Verlusten, an ihrem Weg durch Dunkelheit und Trauer.
Und doch sind ihre Werke kein Abbild dieser Dunkelheit. Während sie von der Zeit spricht, in der sie beide Elternteile verloren hat, fällt ihr Blick auf ein Bild ihres Vaters, das in ihrem Atelier hängt. „Er ist immer noch hier“, sagt sie leise. In jedem Pinselstrich, in jedem Farbklecks scheint seine Präsenz mitzuschwingen.
Jessie hat in ihrer Kunst einen Ort geschaffen, an dem Schmerz und Hoffnung nebeneinander existieren dürfen. Wo Trauer nicht verdrängt, sondern verwandelt wird – in Farben, die leuchten. In Bildern, die Geschichten erzählen.
Ihre Werke sind nicht nur Leinwände voller Farben, sondern emotionale Zeitzeugen eines inneren Prozesses. Eine Art Dialog mit dem Unsichtbaren, ein Versuch, die Lücke zu füllen, die der Verlust hinterlassen hat.
Jessie spricht von ihrer Mutter, die kurz vor Weihnachten verstorben ist. Es war ein Abschied, der sie verändert hat. „Es gibt keinen Plan B mehr“, sagt sie. „Kein Zuhause, zu dem ich einfach zurückkehren kann. Jetzt bin ich nicht mehr Tochter – jetzt bin ich nur noch ich.“
Und genau das zeigt sich in ihrer Kunst. Ein ungeschönter Ausdruck dessen, was das Leben mit uns macht. Ein Ventil, um die eigene Geschichte sichtbar zu machen.
Danke, Jessie, für deine Offenheit und dein Vertrauen. Dafür, dass du uns mit deinen Bildern erinnerst, dass auch die dunkelsten Momente die schönsten Farben hervorbringen können. Und dafür, dass du uns zeigst, wie aus Verlust etwas Neues, etwas Starkes, etwas Unvergängliches entstehen kann.

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1. Deine Kunst wirkt wie ein farbenfrohes Gegengewicht zur Schwere deiner Erfahrungen – wie gelingt es dir, trotz all dem Schmerz so viel Licht und Lebendigkeit in deine Werke zu bringen?

Die letzten Jahre haben mich sowohl persönlich als auch künstlerisch stark geprägt. Ich habe in kurzer Zeit beide Elternteile verloren und musste mich mit schweren Krankheiten und intensiven Abschieden auseinandersetzen. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – ist meine Kunst farbenfroh, lebendig und kraftvoll.
Für mich war immer klar: Das Leben selbst bringt genug Dunkelheit mit sich. Meine Bilder sollen ein Gegenpol sein – ein Raum für Hoffnung, Stärke und Licht.
Beim Malen finde ich eine Art innere Stille. Es ist ein Moment, in dem Sorgen und Gedanken Pause machen dürfen. Ich schöpfe aus dem, was meine Eltern mir mitgegeben haben: Lebensfreude, Optimismus und die Überzeugung, dass jede Krise auch einen Neuanfang in sich trägt.
Es geht mir nicht darum, Schmerz zu verleugnen, sondern ihm etwas entgegenzusetzen. Meine Kunst ist meine Art, dem Leben auch in schwierigen Zeiten Farbe und Kraft zurückzugeben.

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2. Welche Rolle spielt dein Vater heute noch in deinem künstlerischen Prozess? Fühlst du manchmal seine Präsenz, wenn du malst?

Mein Vater spielt immer noch eine große Rolle in meinem Leben – und damit auch in meiner Kunst. Auch wenn er nicht mehr physisch anwesend ist, begleitet er mich täglich. In meinem Atelier steht ein Bild, das er selbst gemalt hat. Es ist wie ein stiller Dialog zwischen uns.
Besonders in Momenten, in denen ich Neues erschaffe oder handwerklich arbeite, spüre ich seine Präsenz. Vieles von dem, was ich heute tue, basiert auf dem, was er mir beigebracht hat.
Meine Mutter war nicht direkt an meiner künstlerischen Entwicklung beteiligt, aber gemeinsam mit meinem Vater bildete sie immer einen sicheren Anker in meinem Leben. Egal was passierte – ich wusste, ich hätte immer ein Zuhause gehabt.
Seit beide nicht mehr da sind – meine Mutter ist letztes Jahr kurz vor Weihnachten verstorben – hat sich mein Lebensgefühl stark verändert. Es gibt keinen Plan B mehr, keine Tür, die sich einfach öffnet, wenn etwas schiefgeht. Ich bin jetzt nicht mehr Tochter im klassischen Sinne, sondern einfach eine erwachsene Frau. Auch diese Veränderung fließt bewusst oder unbewusst in meine künstlerische Arbeit ein.

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3. Wie fühlt es sich an, wenn du mit einem Bild fertig bist – ist es ein Loslassen, ein Verarbeiten oder eher ein Neuanfang?

Wenn ich ein Bild fertigstelle, ist das für mich vor allem ein Loslassen. Beim Malen schalte ich meinen Kopf aus, doch vieles, was mich bewegt, fließt unbewusst ein.
Da ich in einer schweren Zeit wieder mit der Kunst begonnen habe, ist das Malen auch ein Ventil für angestaute Energie. Einige Werke, wie eines, das stark mit dem Weg meiner Mutter verbunden ist, verstehe ich erst im Rückblick.
Trotzdem stimmt es mich nicht traurig, ein Bild abzugeben. Im Gegenteil – es ist ein befreiender Moment, der Raum für Neues schafft.

4. Wenn du einen Menschen mit einem deiner Bilder berühren könntest – was würdest du dir wünschen, dass in ihm oder ihr ausgelöst wird?

Wenn ich jemanden mit meiner Kunst berühren könnte, würde ich mir wünschen, dass er beim Betrachten meiner Bilder Freude empfindet.
Auch wenn viele Werke in einer sehr schweren Zeit meines Lebens entstanden sind, tragen sie bewusst eine farbenfrohe, positive Energie in sich.
Ich glaube daran, dass selbst in schwierigen Momenten immer etwas Gutes entstehen kann – manchmal erkennt man es erst später.
Meine Bilder sollen genau dieses Gefühl wecken: Hoffnung, Glück und die leise Zuversicht, dass alles wieder gut werden kann.

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Admin - 12:20:17 @ Allgemein, ARTIST, EXHIBITION | Kommentar hinzufügen



 
 
 
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