2024-09-23
Ich möchte mich von Herzen für das unglaublich inspirierende Interview bedanken! Es war nicht nur ein tiefer Einblick in deine Welt, sondern auch eine Begegnung, die mich emotional berührt und gedanklich herausgefordert hat. Deine offene und authentische Art, über deine Kunst, deine Herausforderungen und deine Sicht auf die Welt zu sprechen, hat mich wirklich bewegt.
Tyves Oben ist ein Künstler, der zwischen den Welten von Licht und Dunkelheit schwebt, ein Audio-visueller Entertainer, der es schafft, die Tiefe des Lebens in seiner Kunst auszudrücken. Deine Werke sind kraftvolle Spiegelungen der Gegensätze, die uns alle umgeben – Schönheit und Melancholie, Freude und Schmerz. Deine Kombination von digitalen und analogen Techniken zeigt die Stärke deiner Kreativität und die Leidenschaft, die du in jede deiner Arbeiten einfließen lässt.
Dein Konzept des „melabeautrocrative“ fasziniert mich zutiefst. Es ist so viel mehr als nur ein Wort – es ist eine Idee, die deine Persönlichkeit perfekt einfängt. Diese Mischung aus introvertierter Melancholie und kreativer Schönheit, gepaart mit deinem großmütigen Herzen, macht dich einzigartig.
Danke, dass du uns an deinen Gedanken teilhaben lässt, an den Kämpfen, die dich antreiben, und den Sehnsüchten, die du in deiner Kunst zum Ausdruck bringst. Es war eine Ehre, deine Geschichte zu hören.
Wer ist Tyves Oben? Erzähl ein bisschen von dir.
Wenn du dich in drei Worten beschreiben müsstest, welche wären das, und was macht dich als Person aus?
Diese Frage habe ich mir selbst auch schon gestellt und sie, wer hätte es gedacht, beantwortet und direkt in einem Design umgesetzt.
Mit dem Namen „melabeautrocrative“. Gut, das ist jetzt ein Wort, aber zusammengesetzt aus gleich Vieren. Es kombiniert die Konzepte Melancholie (mel-), Schönheit (beau-(-ty)), Introversion (in)-tro-) und Kreativität (cr(e)ative) in einem Begriff. Es beschreibt jemanden, der einen schönen und kreativen Geist hat, aber auch eine melancholische und introvertierte Natur besitzt und gleichzeitig ein großzügiges und großmütiges Herz hat. Dieses Wort fängt die Tiefe und Komplexität eines solchen Individuums ein und beschreibt mich meiner Meinung nach am besten.
Deine Projekte reichen von Cover-Artworks, Magazinen, Büchern, allerhand Merchandise bis hin zu Musik. Was gibt dir die Kraft, in all diesen Bereichen zu agieren, und welche Facetten deiner Persönlichkeit spiegeln sich in den unterschiedlichen Medien wider?
Oh, viele viele! Mich interessieren sehr viele Themengebiete und in den meisten Fällen spiegeln sich entweder meine Interessen oder/und meine persönlichen Belange in meinen Artworks wider. Zum Beispiel bin ich gegen eine Zensur von Artworks. Ja, auch auf social media Kanälen. Natürlich meine ich nicht freie Pornografie für Minderjährige, aber gegen die Zensur von menschlichen Aktdarstellungen die in sich auch noch einmal getrennt voneinander „bewertet“ werden. Thema: „männliche und weibliche Brustwarzen“. Was soll das? Oder warum werden Accounts/Profile gesperrt/gelöscht die über Sexualität aufklären, oder auch nur darüber wie ein weiblicher oder männlicher Körper funktioniert? Ich denke da sind wir noch sehr weit hinterher im ach so aufgeklärten Deutschland. Aber das trifft nicht allein auf Deutschland zu. Warum werden Frauen in manchen Ländern stigmatisiert wenn sie ihre Periode haben? Auch das sind Sachen die ich in meinen Artworks aufgreife. Dummerweise „darf“ man das leider nicht ZU deutlich tun, wenn man möchte das auch andere diese Arbeiten ansehen können. Intim heißt anscheinend immernoch tabu. 🤷🏻♂️
Es gibt unendlich viele Themen die ich weiter aufzählen kann wie body shaming, du bist zu dünn, du zu dick, du zu klein, iiiiihhhh du trägst Körperbehaarung als Frau, iiiihhh du hast keine Haare wo welche hin sollten, du bist einfach nicht richtig. Blah blah blah… nichts und niemand scheint auf dieser Welt richtig zu sein und als Individuum akzeptiert zu werden.
Was mir für all das Kraft gibt, ist einfach mein innerer Drang zu kreieren. Klar kann ich auch mal in den Urlaub fahren und meine Macs zu Hause lassen und das auch genießen, aber wenn ich die Möglichkeit bekomme kreativ zu sein, tue ich es. Gedanken und Gefühle müssen einfach raus!
Es heißt oft, Künstler sehen die Welt anders. Wie siehst du dich selbst inmitten all der visuellen und auditiven Reize, die dich umgeben? Fühlst du dich manchmal überwältigt oder erleuchtet von den Dingen, die andere vielleicht übersehen?
Ich sehe mich selbst eher als Audio- visuellen Entertainer und „Influenzer“ als einen Künstler. Durchaus wäre ich gerne ein Künstler und würde ZU gerne meinen Unterhalt damit verdienen. Aber gerade in Deutschland (zumindest empfinde ICH es so) mangelt es nicht an Steinen die, sei es durch übermäßige Bürokratie oder andere Dinge, immerzu in den Weg gerollt kommen. Ich weiss nicht ob ich die Welt anders sehe als sie ist. Ich befürchte ich sehe sie sehr realistisch und es ist nicht immer schön, was es da zu sehen gibt. Wenn du allerdings meinst ob mich unsere Welt inspiriert, dann ja, das tut sie in jedem Fall. Ich finde jeden Tag Gelegenheiten etwas zu fotografieren was ich später in meinen Artworks gebrauchen kann. Die Welt ist schön… Grundsätzlich.
Tyves, deine Kunst scheint oft zwischen Licht und Dunkelheit zu oszillieren. Welche inneren Kämpfe oder Sehnsüchte treiben dich dazu, gerade diese Gegensätze so intensiv in deinen Werken zu erkunden?
Ist Licht und Dunkelheit nicht der schönste Kontrast? Ohne Licht gibt es keine Schatten und Schatten sind dunkel. Dunkelheit bedeutet für viele Menschen etwas Schlechtes… Angst… Ungewissheit… Trauer. Ich liebe Dunkelheit gleichermaßen wie ich das Licht und die Sonne liebe. Ich finde die beste Unterhaltung in Horrorfilmen oder in dunkler, nachdenklicher Kunst und Musik. Dennoch bin ich eine Frohnatur, ich lache gerne, liebe das Leben, Spaß, die Welt und die Dinge die sie zu bieten hat. Was ich aber von Anfang an hatte, ist das Problem „fröhliche“ Sachen zu kreieren. Melancholisch-dunkle Musik und Artworks zu gestalten fällt mir so leicht wie Duschen oder Einkaufen. Ich habe mich oft krampfhaft an einem heiteren Musikstück versucht, dennoch endete es in Moll. Oder ich beginne ein Artwork bunt, beschwingt und heiter und dennoch endet es in dunklen Tönen mit nachdenklicher Message. That’s life! 🤷🏻♂️
Du verbindest in deinen Arbeiten oft das Digitale mit dem Analogen, wie bei deiner Collage „Unseen“. Was bedeutet diese Verschmelzung für dich persönlich, und inwiefern spiegelt sie deine innersten Gefühle wider?
Ich weiß nicht ob die zwei kombinierten Techniken etwas mit Gefühlen zu tun haben. Ich mag es einfach diese Techniken zu kombinieren, weil in einer rein digitalen Arbeit immer das „Organische“ verloren geht. Kleine Knicke, Schatten die nicht geworfen werden, Klebereste, echte, natürliche Texturen. Auch der „Oooops jetzt habe ich mich vermalt/verschrieben“ Moment. Im Digitalen ist alles mit eins zwei Buttonklicks wieder bereinigt das fällt im Analogen flach. Es ist quasi immer wieder ein „Thrill“. „Oh Goth hoffentlich geht es nicht schief“… 🫣😂 Ich bin sehr ungeduldig und digital einfach schneller an meinem Ergebnis dran und das wird dann analog verfeinert und vollendet.
Von außen fällst du sofort auf, wenn du einen Raum betrittst – dein Stil ist auffällig, ausdrucksstark und laut. Doch sobald man mit dir spricht, wirkst du sehr ruhig, fast leise, süß und sehr sympathisch. Wie gelingt es dir, diese beiden faszinierenden Facetten deiner Persönlichkeit in Einklang zu bringen? Begegnen dir Menschen auf der Straße oft mit Blicken aufgrund deines Stils, und wie gehst du mit dieser Aufmerksamkeit um?
Vielen Dank das ist sehr nett von Dir. Aber interessant das du das ansprichst, denn wenn du dich jetzt auf unser Treffen auf Eurer Vernissage beziehst, ist mein Konzept in der Tat aufgegangen. Mein Äusseres an diesem Tag gehörte tatsächlich zu meinem bei Euch ausgestellten und von dir zuvor erwähnten Bild „Unseen“. Auf dem Bild steht folgender Text.
Non famous individual
I saw stars come
I saw stars go
yet I’m still here
as someone
someone unseen
I’ve seen stars glitter
I’ve seen stars fall
But I’m still here
as someone
someone unseen
Kurzum ich sehe mich selbst als die Person auf meinem Artwork. Als „someone unseen“, jemand unentdeckten… ungesehenen. Dennoch habe ich äußerlich genau das Gegenteil dargestellt. Ich war sichtbar. Ich bin aufgefallen. Du hast mich gesehen. Ursprünglich wollte ich sogar noch eine Stretch-Limousine mieten um das Konzept noch mehr hervorzubringen. Die hätte sich bei Euch aber wirklich schlecht wenden lassen 😂
Die Zeilen auf dem Bild beziehen sich zum Beispiel auf den Club 27 oder auch andere Berühmtheiten die weit vor meinem eigenen Alter gestorben sind. Ich habe mich stets fehl am Platz gefühlt und zu etwas Anderem bestimmt. Das ist noch immer so. Aber wenn man weder über den elterlichen Beistand, oder deren Förderung verfügt, oder über einen ausreichend finanziellen Background verfügt, ist der Weg ein recht steiler. Dennoch bin ich sehr zufrieden mich auf diesem Weg zu befinden auch wenn dieser alles andere als glatt und leicht verläuft. Der Weg ist das Ziel und solange mir dieser Spass macht, gehe ich ihn weiter. Zum Schluß kann ich zumindest sagen ich habe alles selbst erreicht.
Aber um nochmal direkt auf Deine Frage zurückzukommen.
Klar, werde ich auf der Strasse beäugt. Ich trage vorrangig legere schwarze Klamotten (Skinny Jeans / Shirt / Hoodie) statt wie zur Vernissage den feinen Zwirn. Es ist auch ein riesiger Unterschied ob ich hier in Deutschland, oder wie erst neulich in den USA durch die Strassen laufe. In den USA wurde ich tatsächlich angesprochen ob ich eine Berühmtheit sei. Sogar Polizisten wollten gerne meine Frisur haben. Hier hingegen ist es meist eher ein verächtlicher, abwertender Blick. Umgehen kann ich mit beiden. Deutschland ist für mich ohnehin das Land in dem die meisten Leute mit einem „Stock im Poppes“ leben. Sorry, ist aber so. Sowas verbiestertes und verbittertes gibt es auf der ganzen Welt nicht noch einmal. Mich nervt das jedes Mal aufs Neue, wenn ich zurück aus dem Ausland bin und den Leuten hier ins Gesicht sehe.
Wenn du auf die letzten 30 Jahre zurückblickst, welche emotionalen Höhen und Tiefen haben dich am stärksten geprägt, und wie spiegeln sich diese in deinen Arbeiten wider?
Nun, ich denke nicht das es nur die letzten 30 Jahre waren. Das Leben in Gänze ist das was mich geformt und zu dem gemacht hat der ich heute bin. Die leichten, heiteren Sachen wie auch die die niemand von uns mag und die uns gerne mal vor einen Abgrund stellen vor dem man dann die Wahl hat hinein oder drüber hinweg zu springen und ihn als Erfahrung abzuhaken und vielleicht etwas Kreatives daraus zu gestalten.
Ich möchte da gar nicht auf einzelne Geschehnisse eingehen, aber ich denke das Jede(r) die/der das ließt, weiß was ich meine. Lebenserfahrung schafft reichhaltige Themen für Kreativität.
Tyves, du beschreibst Design als deine Berufung und einen der Gründe, früh morgens aufzustehen. Welche Emotionen treiben dich jeden Morgen an, wenn du an deinen nächsten kreativen Schritt denkst?
Ich bin Grafikdesigner von Beruf. Auch das war ein steiniger Weg bis dahin. Ich liebe diesen Beruf auch wenn es natürlich einige Unterschiede zu den Grafiken gibt die ich beruflich erstelle, oder privat zu meinem Vergnügen. Dennoch ist es mir in beiden Zweigen möglich zum Beispiel meiner Liebe zur Typographie nachzugehen. Typographie ist so essentiell und kann soviel Ausdrücken und nur allein durch die Verwendung des „richtigen“ oder „falschen“ Fonts kann ein Design gelingen oder „sterben“. Schau mal auf folgendes Bild eines fiktiven Firmennamens das ich gebaut habe um es Dir leichter zu erklären. Wem würdest du eher deine Verwandten anvertrauen? A oder B?
Siehst du was ich meine? Fast niemand achtet darauf. „Schrift ist Schrift und Hauptsache es steht etwas da.“ NEIN, eben nicht! Typographie ist essentiell. Auch wenn ich mich wiederhole.
Wo siehst du dich in ein paar Jahren? Welche Ziele und Visionen hast du für deine Zukunft als Künstler?
Ich möchte so vielen Menschen wie möglich meine Artworks und Grafikdesigns vorstellen können. Also möchte ich noch weitere Ausstellungen mitmachen. Ziel ist, einmal eine eigene Soloausstellung zu bestreiten. Mit Artworks und meiner Ambient-Musik (Scarless Arms) zeitgleich. Ich hoffe allerdings inständig das das nicht noch Jahre dauert. Persönlich möchte ich meinen Stil noch weiter verfeinern und verbessern. Ich mag es zwar, wenn Leute mich mit meinen Vorbildern vergleichen, noch lieber ist es mir allerdings Dinge wie „unique“ oder „du inspirierst mich immer wieder aufs neue“ zu lesen.
Ich bin auf einem guten Weg mein Ziel zu erreichen, denke ich.
IG: @themithing | @scarlessarms
Admin - 15:21:10 @ ARTIST | Kommentar hinzufügen
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